Was ist EMDR?
EMDR, eine Abkürzung für Eye Movement, Desensitization and Reprocessing, ist eine Methode der Traumatherapie, die von der Psychologin Dr. Francine Shapiro in Kalifornien Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre entwickelt wurde. Seitdem wird sie erfolgreich eingesetzt, um Menschen bei der Bewältigung ihrer vergangenen Traumata zu helfen.
Die Funktionsweise von EMDR besteht darin, dass beide Gehirnhälften durch Augenbewegungen oder andere Sinnesorgane stimuliert werden, was oft schon nach wenigen Sitzungen zu Veränderungen in der Wahrnehmung, den Emotionen und dem Körperempfinden führt. Abhängig von der Komplexität oder der Menge an Traumata, die der Einzelne erlebt hat, benötigen manche Fälle mehr Sitzungen als andere, um erfolgreich abgeschlossen zu werden; in der Regel sind die Prozesse jedoch viel kürzer als bei traditionellen Psychotherapien.
Wie wirkt EMDR?
Normalerweise wird Erlebtes vom Gehirn verarbeitet und ad acta gelegt. Traumatische Erlebnisse können jedoch psychische Wunden hinterlassen. Sind diese Wunden geringfügig, kann das Gehirn sie ohne Hilfe bewältigen, so wie der Körper eine kleine Schnittwunde selbständig heilt. Sind diese Verletzungen allerdings schwerwiegend, können sie die Selbstheilungskräfte des Gehirns überschreiten – das Erlebte wird in unverarbeiteter Form im Gehirn fraktal abgelegt und durch ähnliche Situationen immer wieder unkontrolliert evoziert. Dadurch kann es zu allen denkbaren Störungen, Ängsten und Blockaden kommen: Das weitere Leben steht im Schatten des Erlebten. Hier hilft EMDR bei der Reorganisation der Erlebnisinhalte und deren Bewertung.
Wie genau EMDR beim einzelnen Klienten wirkt, kann jedoch nicht vorausgesagt werden. Es sind immer mehrere Wirkfaktoren, die zusammen kommen.
Aufmerksamkeitsteilung: Durch die gleichzeitige Konzentration auf das belastende Erlebnis und die bilaterale Stimulation im Hier und Jetzt lernt das Gehirn, sich nicht von assoziierten Emotionen, Kognitionen und Bildern überfluten zu lassen. Es findet eine Dosierung und Distanzierung hinsichtlich des belastenden Materials statt – der Klient erlangt immer mehr Kontrolle.
Entkonditionierung: Durch die Fokussierung auf die Belastung und gleichzeitig stattfindenden Entspannung und Gehirnhälften-Synchronisation findet ein Zustand der reziproken Hemmung statt – Anspannung und Entspannung zugleich ist nicht möglich, und das Belastungsniveau des Klienten wird reduziert.
Neuronale Veränderung des synaptischen Potenzials: Hier liegt das eigentlich „kleine Wunder“ des EMDR. Neuronal verbinden sich Belastungsnetzwerke mit Ressourcen-Netzwerken und der Transport vom implizierten Gedächtnis zum expliziten Gedächtnis (hier ist unsere Lebensgeschichte abgespeichert) kann beginnen. Das Erlebte wird als Teil der eigenen Lebensgeschichte integriert, erfährt eine Neubewertung und hat keine Macht mehr. Eine besondere Bedeutung kommt hier dem „bipolaren Prinzip“ zu – der Verbindung von Belastung und Ressource. Biochemisch ist hier insbesondere die Ausschüttung von Acetylcolin wichtig, die beispielsweise auch ganz automatisch in den REM-Phasen unseres Schlafes stattfindet.
Die unterschiedlichsten Langzeitstudien mit EMDR weisen nach, dass dieses Verfahren schneller und besser wirkt, als sämtliche anderen bekannten Therapiekonzepte.
Eine der wichtigsten Funktionsweisen unseres Gehirns hat der Neuro-Psychologe Donald Hebb 1949 in diesem immer wieder zitierten Satz zusammengefasst: